Der 27. Januar ist eines der wichtigsten internationalen Gedenktage, so auch in Italien. An diesem Tag 1945 befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz. Dort entdeckten sie die wohl schlimmsten menschlichen Abgründe, die man sich vorstellen kann. Mehr als eine Million Menschen, zumeist Juden, Sinti und Roma wurden allein zwischen März 1942 und November 1944 ermordet. Doch wie feiern die Italiener den Gedenktag in ihrem Land?

Das erwartet Sie auf dieser Seite

Screenshot Agenzia per la Coesione Territoriale

Weitere Feiertage in Italien

Wie wird der 27. Januar 2022 in Italien gefeiert?

  • in Mailand wird es voraussichtlich eine Veranstaltung am Binario 21 auf dem Mailänder Hauptbahnhof geben
  • mehrere italienische Gemeinden haben sich der die vom gleichnamigen Kulturverein geförderte Initiative „Treno della Memoria 2022“ (Zug der Erinnerung 2022) angeschlossen, bei dem eine bestimmte Anzahl von Jugendlichen gegen eine Teilnehmergebühr an der 9-tägigen Rucksackreise entlang der Etappen der Europäischen Erinnerung teilnehmen können; unter anderen sind die Gemeinden Gallipoli, Avigliana und Sava an dem Projekt beteiligt.
  • Die Reise „Treno della Memoria 2022“ umfasst einen Besuch in Krakau, eine Führung durch das ehemalige jüdische Ghetto, die Fabrik von Schindler, das Museum und die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. In Auschwitz wird eine Gedenkveranstaltung in der Nähe des berüchtigten „Appellplatzes“ abgehalten. Auf der Reise werden Zwischenstopps in Berlin, Prag oder Budapest gemacht.
  • in vielen Gemeinden werden Fotoausstellungen und Filmvorführungen abgehalten, wie beispielsweise in der Gemeinde Cologno Monzese
  • die Gemeinde von Senigallia will 2022 ein „Komitee für den Tag der Erinnerung“ einrichten

Nicht verpassen: Besondere Programme im Fernsehen

Traditionell widmen sich in Italien die Medien dem Thema intensiv. So werden wie jedes Jahr die Fernsehkanäle des RAI-Senders besondere Programme in Erinnerung an die Shoah-Tragödie ausstrahlen. Auch die sozialen Netzwerk-Kanäle der Fernsehsender werden spezielle Inhalte passend zum Thema übertragen.

Die Spezial-Programme des Rai-Senders zum Gedenktag in Italien

  • Gedenktag 2022 PDF (Weiterleitung auf rai.it) steht noch aus
  • Gedenktag 2021 PDF (Weiterleitung auf rai.it)
  • Gedenktag 2020 PDF (Weiterleitung auf rai.it)

Müssen Italiener an dem Tag des Gedenkens arbeiten gehen?

Der 27. Januar ist trotz seines Gedenkens ein ganz normaler Arbeitstag. Dies bedeutet, dass der Schulbetrieb regulär läuft und die Arbeit regulär verrichtet werden kann.

Sind Restaurants und Museen geschlossen?

Restaurants sind am 27. Januar in Italien nicht geschlossen. Ebenso sind alle anderen Lokale regulär geöffnet. Das Gleiche gilt für Museen, die an diesem Tag regulär geöffnet haben.

Auf diese Wochentage fällt der 27. Januar in den kommenden Jahren

DatumWochentag
27. Januar 2022Donnerstag
27. Januar 2023Freitag
27. Januar 2024Samstag
27. Januar 2025Montag
27. Januar 2026Dienstag

Jede Gemeinde gedenkt den Opfern des Holocaustes

Jede Comune (Gemeinde) in Italien erinnert zum Giorno della Memoria an die Opfer des Holocaustes. Dabei wird in der Regel vom Bürgermeister ein Kranz an eines der Gedenktafeln in der Gemeinde niedergelegt. Oft finden auch Fotoausstellungen, Lesungen und Filmabende statt. Es wird zudem versucht in Schulen Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und die Schüler für das Thema Faschismus und seine Folgen zu sensibilisieren. Dies kann in Gesprächen und in gemeinsamen Museumsbesuchen passieren.

Wie feiert Mailand den 27. Januar?

In Mailand wird am 27. Januar traditionell der Holocaust-Opfer auf dem Gleis 21 (Binario 21) gedacht. 2019 wurde im Rahmen der Feierlichkeiten ein Stolperstein für den Widerstandskämpfer Luigi Vacchini (1883-1944) verlegt. 2021 wurden trotz der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie etliche Initiativen abgehalten. Es gab eine virtuelle Begegnungstour auf dem Bahnsteig 21 des Mailänder Hauptbahnhofs, die von der Shoah-Gedenkstätte in Mailand organisiert wurde. Am 27. Januar konnten Interessierte ab 8 Uhr morgens eine komplette Besichtigungstour über die Facebook-Seite der Gedenkstätte absolvieren. 16 Uhr gab es dann eine Live-Übertragung auf Instagram, bei der Fragen von den 30 örtlichen Führern der Gedenkstätte beantwortet wurden. Um 21:30 Uhr wurde der Tag mit einem Gedenkkonzert mit Musik von Ennio Morricone beendet.

An was soll der Gedenktag in Italien erinnern?

Wie auch auf internationaler Ebene soll der Gedenktag an die Holocaust-Opfer, die Rassengesetze und an diejenigen erinnern, die sich für die Verfolgten des Nazi-Regimes eingesetzt und dabei selbst ihr Leben riskiert haben.

Video-Ansprache des italienischen Präsidenten zum Tag der Holocaust-Opfer

Quelle: youtube.com

Das ist wichtig zu wissen

Die 1930 in Mailand aus einer jüdischen Familie geborene Liliana Segre hat den Holocaust überlebt und wurde zur italienischen Senatorin auf Lebenszeit gewählt. Sie nimmt – so weit es die Gesundheit zulässt – jährlich am 27. Januar an öffentliche Veranstaltungen und Schulauftritte teil. An diesem Tag erzählt sie Episoden und Erinnerungen aus ihrer Zeit im Konzentrationslager Auschwitz. Sie gilt als eine der letzten Überlebenden der Shoa-Tragödie. 1938 wurde ihr der Schulbesuch durch die leggi razziali (Rassengesetze) in Italien verboten. Wegen ihrer aktiven Rolle als Zeitzeugin, erhielt sie in den letzten Jahren vermehrt Hassnachrichten und Morddrohungen. 2019 wurde sie von der italienischen Regierung unter Polizeischutz gestellt. Ihre Häftlingsnummer 75190 ist noch heute auf ihrem arm erkennbar. Zu Ehren an Segre wurde im November 2020 ein Asteroid nach ihr benannt, der die Asteroidennummer 75190 trägt.

Liliana Segre, italienische Senatorin auf Lebenszeit
SENATRICE LILIANA SEGRE (00032435) (© 2018 Carmine Flamminio / Senato della Repubblica )

Wer legte den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar fest?

Der Holocaust-Gedenktag wurde durch die Resolution 60/7 der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 1. November 2005 während ihrer 42. Plenarsitzung festgelegt. Italien führte den Gedenktag bereits einige Jahre zuvor ein.

Drei Tage standen zur Auswahl

In Italien wurden vor der Einführung des Gedenktages drei Tage ausgewählt, wobei einer davon tatsächlich zum „Giorno della Memoria“, dem Gedenktag, werden sollte. Zur Auswahl stand der 16. Oktober, den der Abgeordnete Furio Colombo vorgeschlagen hatte. An diesem Tag fand in Rom 1943 eine Razzia im Ghetto von Rom statt, an der über tausend italienische Staatsbürger mit jüdischem Glauben gefangen genommen wurden. Sie wurden anschließend nach Auschwitz deportiert. Der 16. Oktober war demnach ein wichtiger nicht zu vergessener Tag, der auf die italienische Verantwortung für diese Gräueltaten hinweist. Weitere Stimmen, die vor allem aus der Nationalen Vereinigung ehemaliger politischer Deportierter in NS-Lagern kam, bevorzugten den 5. Mai als Gedenktag in Italien. An diesem Tag wurde das Konzentrationslager Mauthausen befreit, in dem viele politische Häftlinge aus Italien saßen. Schlussendlich entschied sich Italien für den 27. Januar als Giorno della Memoria (Gedenktag), an dem Auschwitz befreit wurde.

Italien verankert den Gedenktag als Gesetz

Der Holocaust-Gedenktag wurde durch die italienische Regierung als Gesetz Nr. 211 vom 20. Juli 2000 („Istituzione del „Giorno della Memoria“ in ricordo dello sterminio e delle persecuzioni del popolo ebraico e dei deportati militari e politici italiani nei campi nazisti“) erlassen und stellt bis heute ein ordentliches Gesetz der Italienischen Republik dar, das in der Gazzetta Ufficiale Nr. 177 vom 31. Juli 2000 veröffentlicht wurde.

Das Gesetz umfasst folgende zwei Artikel:

Art. 1.

  1. Die Italienische Republik erkennt den 27. Januar, den Tag, an dem die Tore von Auschwitz niedergerissen wurden, als „Gedenktag“ an, um der Shoah (Vernichtung des jüdischen Volkes), der Rassengesetze, der italienischen Verfolgung jüdischer Bürger, der Italiener, die Deportation, Inhaftierung und Tod erlitten haben, sowie derer, die sich, auch in verschiedenen Lagern und auf verschiedenen Seiten, dem Vernichtungsplan widersetzt und unter Einsatz ihres eigenen Lebens andere Leben gerettet und die Verfolgten geschützt haben, zu gedenken.

Art. 2.

  1. Anlässlich des in Artikel 1 genannten „Giorno della Memoria“ werden Zeremonien, Initiativen, Begegnungen und gemeinsame Momente der Erzählung der Tatsachen und des Nachdenkens, insbesondere in Schulen aller Stufen, über das, was dem jüdischen Volk und den in die nationalsozialistischen Lager deportierten italienischen Militärs und Politikern widerfahren ist, organisiert, um für die Zukunft Italiens die Erinnerung an eine tragische und dunkle Periode der Geschichte unseres Landes und Europas zu bewahren und damit sich ähnliche Ereignisse nie wiederholen.

Wie wurde in der Vergangenheit der Gedenktag in Italien gefeiert?

In Ferrara fand am 22. Februar 2006 eine Konferenz statt, die thematisch der Verfolgung der Juden in Ferrara ab 1938 gewidmet war. Bei dieser Konferenz wurde an den ehemaligen Bürgermeister Renzo Ravenna (1893-1961) erinnert, der 1938 von seinem Amt zurücktrat. Er war mit Enrico Paolo Salem in Triest einer der bestellten Generäle (Podestà), die im faschistischen Italien jüdischer Herkunft waren. Viele weitere Persönlichkeiten jüdischer Herkunft traten von öffentlichen Ämtern zurück oder wurden aus dem Land verwiesen.

In Neapel organisierten 2010 die Universität Neapel „L’Orientale“ und das Zentrum für Jüdische Studien Studientage, die sich mit den Rassengesetzen befassten.

In Rom wurden 2017 einige Initiativen vorgestellt, die sich mit dem Thema Gedenktag befasst haben.

Im Jahr 2018 organisierte Bologna Demonstrationen und Veranstaltungen zum Giorno della Memoria.

Wie viele Personen mit jüdischem Glauben leben heute in Italien?

Heute leben in Italien weniger als 30.000 italienische Juden, die in 21 Gemeinden des Landes registriert sind. Die Gesamtbevölkerung Italiens liegt bei rund 57 Millionen. Bemerkenswert ist, dass fast die Hälfte der italienischen Juden in Rom lebt, sprich fast 15.000, weniger als 10.000 lebt in Mailand. Der Rest lebt mittelgroßen bis kleinen Gemeinden wie Triest, Turin, Venedig, Florenz und Livorno. Die unterschiedlichen Gemeinden werden von einer gewählten Person aus dem gewählten Rat geleitet. Sie schließen sich zum Verband der jüdischen Gemeinden Italiens (UCEI) zusammen, der seinen Sitz in Rom hat.