Das Ägyptische Museum von Turin (Museo delle Antichità Egizie a Torino) ist der Kunst und Kultur des alten Ägypten gewidmet. Es beherbergt zahlreiche Sammlungen und Kunstwerke aus der Pharonenzeit sowie der nachfolgenden ptolemäischen und römischen Zeit. Das Erdgeschoss allein ist der prädynastischen Zeit und dem Alten Reich gewidmet. Interessant sind die zahlreichen gefunden Keramiken und Statuetten, die Uschebtis. Das Ägyptische Museum beherbergt zudem große Schätze wie Särge, große Statuen und Mumien. Die Schmucksammlung ist bemerkenswert, aber auch die meterlangen Papyri und zahlreichen Alltagsgegenstände. Wer das Museum besuchen möchte, der sollte am besten mehrere Tage einplanen, denn es erstreckt sich auf vier Ebenen mit zahlreichen Sälen.
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Die Gründung des Ägyptischen Museums
Das Ägyptische Museum ist seit seiner Gründung im Jahr 1824 im Palazzo Collegio dei Nobili in der Via Accademia delle Scienze 6 untergebracht. Das Gebäude wurde nach dem Entwurf von Michelangelo Garove im Jahr 1679 errichtet. Die erste Ausstellung war der Sammlung Drovetti von König Carlo Felice gewidmet.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Palazzo durch den Turiner Architekten Giuseppe Maria Talucchi und den Ingenieur Alessandro Mazzucchetti vergrößert und seiner Nutzung als Museum angepasst.
Schiaparelli und Farina brachten 30.000 Funde nach Turin
Zwischen 1903 und 1937 führten die Ägyptologen Ernesto Schiaparelli und später Giulio Farina in Ägypten Grabungen durch und brachten rund 30.000 Funde nach Turin. Wegen Platzmangel wurde das Museum mehrere Male umstrukturiert und renoviert. In den 1930er Jahren wurde eine Gemäldegalerie eingebaut, Ende der 1980er Jahre der Schiaparelli-Flügel, ein Teil des Museum, neu strukturiert.
Der Felsentempel von Ellesiya
Spektakulär war und ist der Felsentempel von Ellesiya, der von der ägyptischen Regierung an Turin gestiftet wurde. Italien hatte der ägyptischen Regierung bei der Rettung der nubischen Tempel geholfen, wie damals vom Wasser des Assuan-Staudamms bedroht waren. Als Anerkennung erhielt die Stadt dem Tempel, der in 66 Blöcke zerlegt, nach Turin transportiert und am 4. September 1970 eingeweiht wurde.
Säle und Sammlungen des Museums
Auf 4 Ebenen mit einer Fläche von etwa 12.000 Quadratmetern sind rund 40.000 Objekten in Turin ausgestellt. Etwa 3.300 von ihnen befinden sich in den Museumsräumen und etwa 12.000 in den Galerien für materielle Kultur.
Die Museumsbibliothek Silvio Curto
Im Prinzip wurde die Bibliothek mit dem Ägyptischen Museum 1824 in Turin gegründet. Zu den ersten Errungenschaften der Bibliothek gehörten wichtige Werke wie die Description de l’Égypte; die Monumenti dell’Egitto e della Nubia, von Ippolito Rosellini und die Denkmäler aus Ägypten und Aethiopen von Richard Lepsius. Weitere Werke folgten bis 1950 nur sporadisch. Danach wurde die Bibliothek von Schenkungen und Ankäufen auf dem Antiquitätenmarkt ständig erweitert. Der italienische Ägyptologe Giuseppe Botti vermachte dem Ägyptischen Museum 1968 seine sehrumfangreiche wertvolle Bibliothek. 9 Jahre später schenkten auch der Ägyptologe Celeste Rinaldi dem Museum seine Bibliothek, 1978 der italienische Ägyptologe Vito Maragioglio.
Die Kunst der alten Ägypter in Turin verstehen
Das pharaonische Ägypten, welches mit der frühdynastischen Zeit um 3150 v. Chr. begann und mit der Machtübernahme Alexander des Großen um 332 v. Chr. endete, blickt auf eine fast 3000 Jahre andauernde Geschichte zurück. In dieser Zeit entwickelte sich Ägypten zu einer Handelsmacht und Hochkultur mit einer komplexen Mythologie und einem ausgeklügelten Wirtschaftssystem.
Die Weltordnung war von zentraler Bedeutung
Für die Ägypter war die Sicherung der Weltordnung, der Maat, von zentraler Bedeutung. Um diese aufrechtzuerhalten, mussten sie die Gunst der Götter gewinnen, was gleichzeitig bedeutete, dass sie die Religion aufrecht erhalten mussten. Jegliche Störung des Systems würde die Weltordnung in ein Chaos stürzen und die Welt, in der sie irdisch und jenseitig lebten, empfindlich stören. Daher bauten sie Sakralbauten wie Tempel und Sonnenkultstätten aus festem Stein, die Jahrtausende überdauern sollten.
Mastabas, Pyramiden und Felsgräber
Mastabas, Pyramiden und Felsgräber waren in erster Linie Wohnstätten des Verstorbenen und galten als Zweckbauten. Aus religiöser Sicht waren sie aber das Instrument für die Auferstehung des Verstorbenen und somit ein Garant für das ewige Leben. Paläste galten als Wohnanlage des Königs auf Erden. Dieser repräsentierte die alleinige Macht des Pharao und hatte religiöse Funktionen.
Tempel – die Wohnstätten der Götter
Tempel hingegen waren die Wohnstätten der Götter. Sie hatten ausschließlich religiöse Funktionen. Die darin aufgestellten Statuen bildeten nicht nur Abbilder der Gottheiten, sondern sie wurden von den alten Ägyptern als lebendige Gottheiten angesehen. Deshalb wurde ihnen auch durch Priester täglich frische Nahrung gebracht. Die Götter waren für die Ägypter greifbar. Über Statuen konnten sie in Kontakt mit ihnen treten. Daher wurden die Statuen nach einem festen Schema, welches in der gesamten pharaonischen Zeit nicht abgeändert wurde, gefertigt.
Die ersten beiden Dynastien
Den Anfang bildete die Thinitenzeit, sprich die ersten beiden Dynastien, bei der die Hauptstadt nach Memphis verlegt wurde und die Könige in Abydos in monumentalen Grabanlagen, den Mastabas, beigesetzt wurden. Es entstanden Tempel aus Lehmziegel, die jedoch durch ihre Beschaffenheit aus Lehm selten überdauerten und einfach weggespült wurden. Das Flachrelief wurde bereits um etwa 3.000 v. Chr. seit der Reichseinigung zur Schmückung der Grabwände angefertigt. In der 1. und 2. Dynastie wurde dieses dann farblich ausgeschmückt und mit Tierskulpturen versehen.
Die Jenseitsvorstellungen der Ägypter
Grundsätzlich basiert die Anfertigung einer Skulptur auf den Jenseitsvorstellungen der Ägypter. Die Ägypter glaubten, wenn ein Mensch stirbt, so gelangt dessen Ka (Seele) in das Totenreich, in die Unterwelt.
Dort musste es sich vor das Totengericht begeben, welches aus 42 Totenrichter bestand. Das Herz des Toten wurde vor Osiris, dem Herrscher über das Totenreich, auf eine Waage gelegt. Aufgewogen wurde eine Feder. War das Herz schwerer, so bedeutet dies, dass der Mensch nicht nach den Willen der Götter gelebt hatte und Unheil verbreitete. Er wurde daraufhin vom Totenfresser, der sich unter der Waagschale befand, verschlungen. Der Mensch starb somit ein zweites Mal, was für die alten Ägypter die schlimmste Strafe war.
War das Herz hingegen so leicht wie eine Feder, konnte der Mensch selbst als Osiris (NN, der Gerechtfertigte) unter den Göttern weiterleben. Dieser Glaube veranlasste die Ägypter dazu, alles erdenklich Mögliche zu Lebzeiten zu veranlassen, um nach dem Tod als Osiris weiterleben zu können. Dazu wurden jedoch nicht nur Inschriften mit Zauber- und Abwehrsprüchen und sämtliche Erfolge und das Leben des Verstorbenen an den Grabwänden eingemeißelt, sondern auch die Gräber mit Nahrungsmitteln, Schmuck, Möbeln und Kleidung sowie Uschebtis, kleinen Statuinen ausgestattet. Dem Menschen nach dem Tod sollte es an nichts fehlen.
Die Mumifizierung
Allerdings konnte die Seele, das Ka, nicht ohne Körper nach dem Tod leben. So fingen die Ägypter an, den Leichnam zu mumifizieren. Jedoch wussten sie, dass auch so der Verfallsprozess nicht dauerhaft unterbrochen werden konnte. Ein unversehrter Körper nach dem Tod war ihnen jedoch wichtig, weshalb sie Statuen anfertigten. Diese stellten den Verstorbenen größtenteils idealisiert dar und sie wurden in einem gesonderten Raum im Grab aufgestellt. Dadurch konnte die Seele aus dem langsam verwesenden Körper entweichen und in den idealisierten neuen zumeist jugendlichen Körper schlüpfen.
Nach den Vorstellungen der Ägypter, zeigen alle Kunstwerke die Realität. Der Verstorbene konnte nur mit dem Körper im Jenseits weiterleben, den die Statue zeigt. Demzufolge zeigt auch der überwiegende Teil der Statuen einen jugendlichen Körper.
Das Alte Reich mit seinen Pyramiden
Nach der Thinitenzeit folgte das Alte Reich (2055–1650 v. Chr.), in dem sich die Pyramidengräber entwickelten. Diese hatten laut der Ägyptologie die Funktion, den Pharao einerseits stattlich zu bestatten, aber auch andererseits diesen (dessen Ka) durch ein Fenster im oberen Teil der Pyramide ins Jenseits aufsteigen zu lassen. Mit der Pyramide sollte der Pharao so nah wie möglich an Re, dem Sonnengott, herangeführt werden. Wie wichtig dies war, belegen die der Pyramide aufgesetzten Pyramidione, die in der Regel mit Inschriften versehen waren. Das bisher älteste gefundene Pyramidion datiert aus der 4. Dynastie und kann der Roten Pyramide des Snofru in Dahschur vor etwa 2.620 v. Chr. zugeschrieben werden.
Das Innere der Pyramide
Das Innere einer Pyramide wurde in der Regel reichhaltig dekoriert. Das Relief gelangte im Alten Reich zu seiner Blütezeit. Die Pyramide des Djoser aus der 3. Dynastie enthält beispielsweise schöne Fayence-Kacheln und Reliefs, die Unas Pyramide aus der 5. Dynastie dagegen blau getünchte Hieroglyphen. Die farbliche Ausgestaltung der Wände mit den Inschriften erfolgte nach einem festgelegten Schema.
Die Ägypter kannten sechs Farben: Blau, Grün, Weiß, Schwarz, Gelb und Rot. Alle Farben wurden aus Mineralien gewonnen und standen für eine bestimmte Vorstellung. Schwarz wurde mit der fruchtbaren Erde in Verbindung gebracht, Rot stand für das Unheilvolle, Weiß für Festlichkeiten und ranghohe Personen, Grün für das Gedeihen und die Erneuerung, Blau für den Himmel und Gelb für das Kostbare. Deshalb wurden die Götter der Himmelsphäre Amun, Amun-Re und Re-Harachte gewöhnlich blau dargestellt, Osiris, der Herrscher der Unterwelt , der gestorben und wieder auferstanden war, hingegen grün.
Das Mittlere Reich
Mit der Einkehr des Mittleren Reiches (2055–1650 v. Chr.) gelangte Ägypten zu seiner wirtschaftlichen Blütezeit. Es wurden zahlreiche Tempel erbaut, Pyramiden entstanden, die sich jedoch an das Alte Reich in ihrer Bauweise orientierten und die Landwirtschaft wurde stark ausgebaut. Das Altägyptisch wurde durch das Mittelägyptisch als Sprache ersetzt. Es entstand eine stattliche Anzahl an fein säuberlich ausgearbeiteter Statuen und Stelen. Skulpturen erfahren nun ihren Höhepunkt.
Das Neue Reich
Das Neue Reich (etwa 1550 bis 1069 v. Chr.) brachte nicht nur das Neuägyptisch mit sich, sondern auch eine komplett andersartige Bestattungsform. Pyramiden wurden nicht mehr erbaut, sondern es wurden Grabanlagen tief in den Fels gehauen. Das Tal der Könige in der Nähe des altägyptischen Theben (heute Luxor) enthält überwiegend die Gräber der 18. bis 20. Dynastie. Wichtig für die Könige war es demnach nicht mehr, so nah wie möglich an den Sonnengott Re heranzureichen, sondern ungestört und friedlich ohne Grabräuber nach dem Tode weiterzuleben. Die Malerei gelangte zu ihrem Höhepunkt.
Die Kunst der Ägypter zusammengefasst
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass in erster Linie durch den festen Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod einzigartige Formen in der ägyptischen Kunst entstehen konnten, wie Obelisken und Pyramiden. Nahezu alles im irdischen Leben drehte sich um das Leben nach dem Tod. Deshalb wurden Statuen, Wandmalerei und Reliefkunst nach einem festen Schema gefertigt. Selbst Farben wurden bestimmten Vorstellungen zugeschrieben. Tierskulpturen in Gräbern waren für die Ägypter real und lebendig, weshalb das Nilpferd als Beschützer häufig in Grabanlagen gefunden wurde, welches den Verstorbenen vor Angriffen, insbesondere vor Ratten und Hasen, schützen sollte. Diese hätten allenfalls die Nahrungsbeigaben vertilgt. Dieser stark ausgeprägte Jenseitsglaube führte letztlich auch zu einer einzigartigen Kunst.