Das wirtschaftliche und auch politische Scheitern des neuen Straßennetzes Lombardei-Venetien wird durch nahezu eine Milliarde Euro an Verlusten sowie 4,6 Milliarden Euro an Schulden offenbart. Hohe Verwaltungskosten und geringe Einnahmen führen zu diesen schlechten Bilanzen. Die Rede ist von den Autobahnen Brescia-Bergamo-Mailand, die Mailänder Tangenziale Esterna und die beiden Pedemontane-Autobahnen, die eine in der Lombardei und die andere in Venetien verläuft.

Lesen Sie auch

Ein zweifelhaftes Konzept

Entstanden ist das Konzept dieser halbverlassenen Autobahnen mit ihren hohen Mautgebühren unter den beiden Regionalregierungen, die seit jeher von Mitte-Rechts geführt werden. Das Konzept ist einfach: Die öffentliche Hand beauftragt einen Privaten mit der Planung, dem Bau und der Verwaltung der Autobahn. Im Gegenzug dazu erhält dieser das Recht, Mautgebühren zu erheben und Kredite zu nutzen. Die durch die Regionalregierung garantierten Kredite müssten rein theoretisch auch wieder an die Banken zurückgezahlt werden. Angesichts des geringen Verkehrsaufkommens – durch die hohen Mautkosten verursacht – bleiben diese aber eingefroren. Die Tätigkeit des Privaten kann aber fortgeführt werden auch ohne Tilgung der Kredite, denn er bekommt ständig öffentliche Mittel zugeführt, insbesondere für die Instandhaltung der Autobahn, So entsteht folgende Sachlage: Ein Privater kassiert die Luxusmautgebühren, der Staat bestreitet aus öffentlichen Geldern die Kosten.

Die Strecke Brescia-Bergamo-Mailand

Ein gutes Beispiel ist die A35 Brebemi, eine 62 Kilometer lange und 2009 vom Rat Formigoni in Auftrag gegebene Autobahn, die den unteren Teil von Brescia mit dem östlichen Stadtrand von Mailand verbindet. Die 2014 eingeweihte Autobahn wurde für rund 1,7 Milliarden Euro von der Intesa Sanpaolo, der CdP (Cassa Depositi e Prestiti) und der BEI (Banca europea per gli investimenti; Europäische Investitionsbank (EIB)) finanziert. Fast parallel zur Brebemi verläuft die A4, die um rund 60 Prozent günstiger in der Maut ist. Dies führte in den ersten zehn Jahren dazu, dass die Brebemi Verluste in Höhe von 560 Millionen Euro einfuhr. Dazu kommen noch Schulden in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. 2020 klinkte sich die Aleatica ein, die vom australischen Pensionsfonds Ifm Global Infrastructure kontrolliert wird. Seit 2016 profitiert die Autobahn Brebemi von öffentlichen Zuschüssen in Höhe von 360 Millionen Euro. So wird die Autobahn mit öffentlichen Geldern unterstützt, während ein privates Unternehmen die Maut erhebt. 10 km Fahrt auf der Autobahn kosten 2,24 Euro.

Die Tangenziale Est esterna

Das gleiche Prinzip wurde bei der Errichtung der Tangenziale Est esterna (A58 Teem) angewandt, die die Brebemi mit der A4 und der A1 Mailand-Neapel verbindet. Die 33 km lange Autobahn wurde vom Rat Maroni vorgeschlagen, trotz aller Schwierigkeiten und Misserfolge des vorangegangenen Modells Brebemi. Die Tangenziale Est esterna ist seit 2015 in Betrieb und wurde von Autostrade per l’Italia an die Gavio-Gruppe übergeben. 2023 schrieb Teem rote Zahlen in Höhe von 4,2 Millionen Euro, wodurch sich die Gesamtverbindlichkeiten auf 170 Millionen Euro und die Schulden auf über 1,1 Milliarden Euro erhöhten. Anstatt auf die Zunahme des Verkehrs zu setzen, setzt Gavio auf Mauterhöhungen, um die roten Zahlen abzubauen. So stiegen die Mautgebühren 2023 um 4,34 Prozent, 2024 noch einmal um 2,3 Prozent. 10 km Fahrt auf der Autobahn kosten 2,09 Euro.

Die Pedemontana lombarda und veneta

Die A36, die Pedemontana lombarda, die vom Rat der Region Lombardei genehmigt wurde und im Besitz der Region Lombardei und der Milano Serravalle-Milano Tangenziali ist, die wiederum von Ferrovie Nord Milano kontrolliert wird und zu 57 Prozent in den Händen der Region Lombardei ist, sollte ursprünglich den Verkehr nördlich von Mailand beschleunigen und die Provinzen Varese und Bergamo sowie die beiden Flughäfen Malpensa und Orio verbinden. 2015 wurde der erste Abschnitt mit Anschluss an die A8 eröffnet, während bis dato die Arbeiten am zweiten Abschnitt mit Anschluss an die A4 noch nicht begonnen haben. So wie es ausschaut, werden die Arbeiten auch nicht beginnen. Das Projekt konkurriert mit 3,5 Milliarden Euro mit der A35 um den Titel der teuersten Autobahn Italiens. 2023 schrieb die Pedemontana lombarda rote Zahlen, nämlich 11,9 Millionen Euro, wodurch sich die Verluste auf über 106 Millionen Euro erhöhen. 10 km auf der Autobahn kosten 1,94 Euro.

Kommen wir zur Pedemontana veneta. Sie weist ein ähnliches Konzept auf. 1990 wurde das Projekt ins Leben gerufen, 2012 die Arbeiten begonnen und diese erst kürzlich abgeschlossen. Kaum im Betrieb liegt bereits jetzt ein hoher Schuldenberg auf der Autobahn. Der Rechnungshof geht von endgültigen Kosten in Höhe von 12 Milliarden Euro aus. Wie diese abgetragen werden sollen, ist noch unklar, denn die Prognosen gehen von 80 Millionen Euro Einnahmen bis 2025 aus. Was benötigt wird, ist, wie bei allen anderen Autobahnen, ein hohes Verkehrsaufkommen. Aktuell ist dieses jedoch nicht gegeben. 10 km auf der Autobahn kosten 1,60 Euro.