Wie auch in Deutschland haben es Unternehmen in Italien zunehmend schwerer geeignetes Fachpersonal zu finden. In den Provinzen Novara, Vercelli, Biella und Verbano Cusio Ossola im Piemont haben Unternehmen angegeben, dass sie für den März 2025 6.540 Arbeitsverträge abschließen könnten. In 50 von 100 Fällen rechnen biellesische Unternehmen jedoch mit Schwierigkeiten, das gewünschte Fachpersonal zu finden.

Beispiel Biella

In der Provinz Biella könnten im März 2025 860 Neueinstellungen vorgenommen werden. Im März 2024 waren es im Biellese 1.060, davon mehr als 50 Prozent im Dienstleistungsbereich, wie aus einem Bericht der Handelskammer Monte Rosa Laghi Alto Piemonte hervorgeht, die sich auf die Daten von Unioncamere und ANPAL bezieht.

Im Biellese könnten im März 29 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge unbefristet werden, 71 Prozent dagegen befristet. 20 Prozent der Verträge sind für Führungskräfte, Spezialisten und Techniker vorgesehen, was über dem nationalen Durchschnitt (17 %) liegt. Allerdings sehen Unternehmen in 50 Prozent der angebotenen Arbeitsstellen Probleme geeignetes Fachpersonal zu finden. 160 der zu besetzenden Stellen sind in der Textilindustrie ausgeschrieben, 150 Arbeitsstellen im Einzelhandel, 120 im Dienstleistungssektor, 100 Stellen im Beherbergungs- und Gaststättengewerbe und schließlich 60 im Baugewerbe. Lediglich 12 Prozent der ausgeschriebenen Arbeitsstellen sind mit Hochschulabsolventen zu besetzen.

Oft fehlt die Motivation

Wie auch in Deutschland finden italienische Unternehmen kaum noch geeignetes Fachpersonal. Im Februar 2025 fragte ich im Biellese Mauro, Inhaber einer Eisenwarenhandlung (ferramenta), warum seine ausgeschriebene Stelle immernoch zu besetzen sei. Immerhin ist sie bereits seit Monaten ausgeschrieben. Er winkte nur ab und erklärte mir, er finde kein Personal. Und in seinem Laden muss man nicht unbedingt studiert haben, sondern mit fachlich kompetenter und freundlicher Art die Kunden bedienen.

Er hatte im Dezember 2024 einen jüngeren Mann Anfang 20 eingestellt, sogar „in regular“, also mit Arbeitsvertrag und Steuer- und Sozialabgaben, was in Italien nicht immer so selbstverständlich ist. Dieser kam am ersten Tag zur Arbeit, am zweiten Tag kam er nicht mehr, angeblich fehlte ihm das Geld für den Bus. Also gab er ihm einen kleinen Vorschuss. Am dritten Tag ließ der Mann sich erneut nicht mehr blicken, dieses Mal war es die einzige Hose, die er sein Eigen nennen konnte und die in der Wäsche war. Also gab der Arbeitgeber ihm Arbeitssachen. Am vierten Tag erschien der Mann wieder nicht und er wurde fristlos entlassen.

Wenige Tage später erhielt der Inhaber einen Anruf von einem weiteren jungen Mann, der sich gerne vorstellen würde. Dieser kam jedoch mit seiner Mutter, die für ihren Sohn das Sprechen übernahm. Auch dieser Kandidat war nicht geeignet. Mauro erzählte mir, er habe es mittlerweile aufgegeben, Personal zu finden und so arbeitet er täglich von früh bis abends mit seiner Schwester und einem weiteren Arbeitnehmer in seinem Unternehmen.

Mauro ist nicht der einzige Arbeitgeber, der mir erzählte, dass es schwierig geworden sei, willige Arbeitnehmer in Italien zu finden. Immer mehr junge Leute haben schlichtweg keine Motivation mehr, arbeiten zu gehen. Oft liegt es noch nicht einmal an der Qualifikation, sondern vielmehr an der Motivation.

Immer mehr junge Menschen wollen auf schnellem Wege ohne viel Mühe Geld verdienen und sind deshalb im Internet als Influenzer, Youtuber oder Instagrammer unterwegs.

Besonders Stellen in der Gastronomie bleiben unbesetzt

Eine ähnliche Geschichte wurde mir in Arona am Lago Maggiore, eines der schönsten Seen in Italien, bereits im September 2023 erzählt. Direkt am See findet sich dort ein Café, welches Personal suchte. Ich fragte aus Neugier nach, ob die Stelle noch zu besetzen sei, denn eigentlich sind solche Stellen in Italien heiß begehrt. Die Inhaberin, eine Frau Mitte 50, erzählte mir, dass sie kein Personal finde. Bei ihr handelt es sich um eine befristete saisonale Arbeitsstelle, die von Anfang Mai bis Oktober zu besetzen gewesen wäre. Doch es gab keine Bewerber. Sie erklärte mir, Schuld sei das per Gesetzesdekret Nr. 4 vom 28. Januar 2019 in Italien eingeführte Bürgergeld, was vorgezogen werden würde. Bei ihr könne man nur einige Monate arbeiten und das ist für viele Arbeitnehmer nicht reizvoll genug. Und somit blieb die Stelle im Café im Service unbesetzt.

Dass viele Cafés und Bars in Italien unbesetzte Arbeitsstellen haben, habe ich besonders in den letzten drei Jahren bemerkt. Viele arbeitslose Menschen gaben dem Vorzug dem Bürgergeld (RdC), welches schließlich genau aus diesem Grund von der italienischen Regierung mit Inkrafttreten am 01.01.2024 so modifiziert wurde, dass nur noch derjenigen Bürgergeld beziehen können, die tatsächlich nicht arbeiten gehen können.