Das Überleben zu sichern, stellte seit Anbeginn der Menschheit das Grundbedürfnis dar. Wichtig waren insbesondere das funktionierende Zusammenspiel zwischen Wetter, Flora und Fauna. Da im Paläolithikum um rund 2,5 Millionen Jahren der Homo ergaster noch nicht über Kühlschrank, Tiefkühlpizza und Supermarkt verfügte, war er gezwungen, auf Jagd zu gehen und essbare Früchte, Wurzeln und Blattwerk zu sammeln. Dabei war er auf ausreichend Wasser, Beutetiere und Früchte angewiesen. Was ihm wichtig war, stellte der Mensch in der Altsteinzeit gerne als Höhlenmalerei dar, was wir heute als Kunst im Paläolithikum bezeichnen.
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Die italienische Kunst begann im Jungpaläolithikum
In Italien begann die prähistorische Kunst während des Jungpaläolithikums, bei dem einige weibliche Statuetten wie die Venus von Balzi Rossi, Chiozza, Savignano sul Panaro, Trasimeno und Parabita gefunden wurden. Diese weisen fast immer sehr ausgeprägte Geschlechtsmerkmale auf, die dem Typ der so genannten aurignacianischen Venus zugeordnet werden können.
Zur beweglichen Kunst gehören zudem insbesondere die Kiesel- und Knochengraffiti aus Barma Grande (Balzi Rossi) und Arene Candide sowie die Graffiti aus der Polesini-Höhle (Tivoli) und die Gravuren aus der Paglicci-Höhle in Apulien, ein Kiesel mit eingraviertem Ochsenkopf aus der Monopoli-Höhle, die Figuren in Valcamonica und die zahlreichen gravierten und bemalten Gegenstände aus der Romanelli-Höhle. Hinzu kommt das in Stein gemeißelte Rind von Levanzo und die Kunst in der Höhle von Romito bei Papasidero (Cosenza).
Felszeichnungen finden sich in den Höhlen von Paglicci, Cala Genovese, Romanelli und Addaura in Niscemi. Felsgravuren aus der Eisenzeit lassen sich in Arma della Moretta (Ligurien), Val Chisone (Cottische Alpen), Monte Pellegrino (Triora) und in der Coalghés-Höhle (Brescia) finden.
Das Wetter und Beutetiere waren wichtig
Der Mensch im Paläolithikum erkannte, dass das Wetter eine entscheidende Rolle beim Vorhandensein der für ihn wichtigen Überlebensgüter spielte. Wo der Regen ausblieb, herrschte Dürre. Wo Dürre herrschte, wuchs nichts. Wo nichts wuchs, kamen auch keine Beutetiere zum Grasen. Der frühe Mensch verstand zwar noch nicht die Komplexität des Zusammenspiels wissenschaftlich zu erklären, jedoch verstand er, dass es eine Verbindung geben musste, weshalb für ihn das Wetter und die Beutetiere wichtig waren.
Menschen malten, was für sie wichtig war
Im Jahr 2021 wurde neben einer großen Jagdszene eine Abbildung eines anscheinend lebensgroßen Sulawesi-Pustelschweins in der Leang-Tedongnge-Höhle auf Sulawesi entdeckt und das Alter auf mindestens 45.500 Jahren eingestuft. Damit gilt diese Höhlenmalerei aktuell als die weltweit älteste bekannte. Zu dieser Zeit lebte bereits der Homo sapiens, der Cro-Magnon-Mensch. Hier scheint das Pustelschwein für den Menschen eine übergeordnete Rolle gespielt zu haben. Vielleicht haben sich die Menschen von diesem hauptsächlich ernährt?
Fakt ist, die Menschen malten in der Regel das, was sie in ihrer nächsten Umgebung sahen und was sie für wichtig hielten. Warum sie dies taten, kann nur spekuliert werden. Vielleicht sollte es eine Art Huldigung darstellen, die die Wichtigkeit des Tieres, der Pflanze und des Naturphänomens herausstellt. Vielleicht ist die frühe Kunst auch als göttliche Anbetung zu begreifen, vielleicht als Bitte für die Überlebenssicherung. Für die indonesischen Menschen war es vielleicht das Pustelschwein, was überlebenswichtig war, was Nahrung bescherte und das Überleben schließlich sicherte.
Älteste Höhlenmalerei in Europa
In der El-Castillo-Höhle bei Puente Visgo in Spanien fanden Wissenschaftler hingegen die für Europa ältesten Höhlenmalereien. Diese werden auf rund 40.000 v. Chr. datiert und werden dem frühesten Jungpaläolithikum zugeordnet. Anders als auf Sulawesi sind hier 25 Handabdrücke vorwiegend von Frauen und Kindern abgebildet. Später kamen noch Tierabbildungen hinzu. Viele Wissenschaftler deuten die Handabdrücke als Graffiti, jedoch muss sich hier die Frage gestellt werden, weshalb wurden drei Viertel der Handabdrücke nur von Frauen und Kinder gefunden? War es vielleicht eine Kultstätte? Ein Ort zur Anbetung einer Fruchtbarkeitsgöttin? Oder war es ein Begräbnisort? Wurde vielleicht ein Ritual durchgeführt? Anders als bei Tierdarstellungen handelt es sich hierbei nicht um Jagd- und Beutemotive. Vielmehr scheinen die Felsmalereien in der der El-Castillo-Höhle rituellen Charakter gehabt zu haben.
Rituale haben große Rolle gespielt
Dass Rituale bereits um 40.000 v. Chr. eine Rolle gespielt haben zu scheinen, beweist die bisher älteste Abbildung eines Therianthropen vom Hohlenstein-Stadel in der Nähe von Ulm. Die aus Mammut-Elfenbein gefertigte Figur stellt einen Menschen mit einem Löwenkopf und den Gliedmaßen eines Löwen dar. Therianthropen stellen die Verwandlung eines Menschen in ein Tier oder in ein Wesen dar, welches tierische und menschliche Eigenschaften besitzt und vor allem in Riten und Mythen auftauchen.
Fruchtbarkeitsdarstellungen kamen auf
Venusfigurinen tauchten erstmals im Gravettien Eurasiens, dem mittleren Jungpaläolithikum oder aus dem mittleren bis jüngeren Magdalénien auf. Die Mehrzahl der Figuren wird auf rund 24.000 v. Chr. geschätzt, wobei die ältesten Figuren, die Venus vom Hohlefels und die Venus vom Galgenberg, rund 35.000 Jahre alt sind und der Zeitepoche Aurignacien zugeordnet werden können. Allen Venusfigurinen gemeinsam ist der dickere Leib, die übermäßige Betonung der Geschlechtsteile und der Brüste, was eine Fruchtbarkeitsdarstellung zulässt.
Die Figurinen der Höhlen in Ventimiglia
Ebenso beeindruckend sind die Figurinen aus den Höhlen bei Grimaldi di Ventimiglia in Ligurien in Italien, die als Venusfigurinen von Balzi Rossi bekannt wurden. Es wurden 13 zwischen 2,4 und 7,5 cm große aus Stearit gefertigte Statuinen gefunden, die wahrscheinlich – so die Wissenschaft – den realen weiblichen Körper zur Zeit Gravettiens um rund 25.000 Jahre v. Chr. darstellten. Hier fällt insbesondere auch die angedeutete Haartracht und das enorm ausgewölbte Gesäß auf, weshalb sich die Wissenschaft auf die These des realistischen Frauenkörpers stützt.
Darstellungen in der Grotta del Genovese
Auf der Insel Levanzo, etwa 12 km vor der Westküste Siziliens bei Trapani gelegen, befinden sich in der Grotta del Genovese, eine Höhle, die ältesten Felszeichnungen Siziliens. Diese werden von Wissenschaftlern auf etwa 8.000 bis 12.000 Jahre geschätzt. Abgebildet sind vier Menschen, wobei drei davon Vogelmasken tragen, die sich mit denen ähneln, die in den Addaura-Höhlen in Palermo gefunden wurden. Unklar ist, ob es sich bei den Darstellungen um rituellen Charakter handelt oder um eine Gebetsszene, sprich um eine religiöse Abbildung. Zudem wurden etliche Tiere dargestellt wie 12 Pferde, 10 Boviden, 5 Rothirsche und eventuell auch eine Katze.
Wissenschaftler fanden weitere Höhlen wie die Grotta dei Porci, die Höhlen von Cala Tramontana und Punta Capperi, die sich ebenso auf der Insel Levanzo befinden. In ihnen wurden Artefakte gefunden sowie Überreste eines Rindes, das auf 9680 v. Chr. datiert wird.
Akrobaten und Rituale in den Addaura-Höhlen
Die Addaura-Grotten bestehen aus drei natürlichen Höhlen an der nordöstlichen Flanke des Monte Pellegrino in Palermo und südöstlich des Strandes von Mondello etwa 70 Meter über dem Meeresspiegel auf Sizilien. Die Bedeutung des Höhlen-Komplexes wird durch das Vorhandensein von Felsgravuren aus der Zeit zwischen dem letzten Epigravettien und dem Mesolithikum sowie durch Knochen und Jagdwerkzeuge bestimmt. Heute werden die Funde im Archäologischen Museum von Palermo aufbewahrt.
Die außergewöhnlichen Felsgravuren zeigen eine prähistorische Felskunst, bei denen bis heute die Wissenschaft rätselt. Dargestellt sind ein Vielzahl an Hirschen, Rindern und Wildpferden sowie eine Gruppe von Menschen, die in einem Kreis angeordnet ist. Im Kreis stehen zwei Menschen mit einer Kopfbedeckung, dessen Körper sehr stark nach hinten gebeugt sind.
Diese Abbildung wird in der Archäologie mit mehreren Hypothesen erklärt. Eine Erklärung ist, dass es sich bei den beiden Menschen um „Gaben“ handelt, die unter Aufsicht eines Schamanen geopfert werden. Dafür würde das Seil um den Hals sprechen.
Eine weitere Erklärung besagt, dass es sich bei den beiden Figuren auch um Akrobaten handeln könnte, da die Körper eine unnatürliche Krümmung aufweisen.
Bis heute ist also nicht eindeutig geklärt, welche Bedeutung der Menschengruppe zugeschrieben werden kann.
Kunst im Paläolithikum hat mehrere Charaktere
Abschließend kann zusammenfassend gesagt werden, dass frühe Kunst in Form von Höhlenmalerei, Figuren und Figurinen insbesondere im Jungpaläolithikum spirituellen, kulturellen und mythologischen Charakter haben, aber auch Szenen aus dem Alltag widerspiegeln können. Dabei gibt es in Italien wichtige Höhlenmalereien, die diese unterschiedlichen Charaktere widerspiegeln können, aber auch Figurinen und Venusstatuetten.