Wer Gemälde und Fresken der letzten Tausend Jahre bis zur Renaissance von italienischen Künstlern betrachtet, dem fällt auf, dass die Mutter Gottes, Maria, fast immer mit einem blauen Gewand dargestellt wird. Darunter trägt sie oft ein rotes Kleid oder einen roten Stoff, ein Gewand, der ihren Körper geschmeidig einhüllt. Jesus hingegen wird häufig mit einem roten Gewand und einem darunter liegenden blauen Stoff gemalt. Doch warum ist das so? Wie alles in der italienischen Kunst hat auch dies eine tiefergreifendere Erklärung.
Die Farbe Blau in der Ikonographie
In der Ikonographie steht die Farbe Blau für das Göttliche. Es ist die Farbe des Himmels und gilt daher als himmlische und damit als göttliche Farbe. Rot hingegen steht für die Farbe des Blutes, das Menschliche und Irdische.
Maria in der byzantinischen Zeit
In der byzantinischen Zeit stellte man Maria häufig mit einem roten äußeren Umhang, der die Farbe des Blutes darstellt, und einem inneren blauen Gewand, der himmlischen Farbe, dar. Dies symbolisiert, dass Jesus, die Göttlichkeit, durch Maria, dem Menschen, geboren wird.
Jesus hingegen wird in der Regel in der byzantinischen Zeit mit einem blauen äußeren Gewand und einem inneren roten Gewand dargestellt. Jesus, der vom Himmel gesandt wurde, wird also mit dem blauen Umhang, der Göttlichkeit, umhüllt. Da er als Mensch zur Welt kommt, trägt er unter dem blauen Umhang ein rotes Gewand als Zeichen für das Irdische.
Maria im Mittelalter und in der Renaissance
Im Mittelalter und in der Renaissance ändert sich das Erscheinungsbild der Maria. Fast immer wird die Mutter Gottes mit einem blauen äußeren Gewand und mit einem inneren roten Gewand, Jesus aber mit einem äußeren roten Gewand und einem blauen inneren Gewand dargestellt – im Prinzip andersherum als in der byzantinischen Zeit. Die Bedeutung der Farben und des Sinnes ist jedoch nahezu gleich geblieben. Häufig wird das blaue äußere Gewand auch mit Sternen abgebildet – ein weiteres Indiz auf den Himmel, sprich das Heilige.
Die Farbe Blau gilt als himmlisch
Die Farbe Blau entwickelt sich im Sprachgebrauch der meisten Sprachen als letztes. So bleibt Blau der letzte Farbname, der im Laufe der Sprachentwicklung genannt wird. Dies hat zwei Gründe: Zum Einen, weil Blau in der Natur seltener vorkommt. Es gibt nur wenige Pflanzen und Tiere, die Blau sind. Zum Anderen, weil Blau das Meer und den Himmel darstellt, die beide jedoch nicht greifbar sind. Wenn man das Meerwasser in die Hände nimmt, so erscheint es wegen der physikalischen Gegebenheiten nicht blau.
Da verwundert es auch nicht, dass selbst Homer die Farbe Blau in der Odyssee und auch nicht in der Ilias nennt. Auch im Alten Testament kommt Blau als Farbe nicht vor.
Die Bezeichnung Blau kam erst später auf. Man kannte schlicht und ergreifend kein Wort für diese Farbe. Erst als Lapislazuli nach Griechenland kam, entwickelte man eine Bezeichnung dafür.
Blau als Symbol für das Befolgen Gottes
Zudem stellte Blau auch ein Symbol für das Befolgen der Gebote Gottes dar. Das Volk Israel sollte sich laut der Schrift Numeri eine Quaste mit einem blauen Band an das Gewand anbinden. Dies sollte dann die Zugehörigkeit zum Volk Israel und zu dessen Glauben und demzufolge direkt auf die Gottesmutter bezeugen.
Nach dem Alten Testament bedeutet es, Maria in Blau zu kleiden, dass sie die Gegenwart des Herrn darstellt (links auf dem Bild von Fabriano) und sie seine Magd ist, ganz im Gegensatz zu Eva, die ihrem eigenen Willen folgte (sie aß von dem Baum). Maria erfüllt vollkommen die Befehle des Herrn. Deshalb wird Maria auch in Blau gekleidet, auch wenn sie menschlicher Natur ist. Auf dem Bild von Fabriano ist rechts Maria Magdalena zu sehen. Sie trägt Gelb, die Farbe, die im Mittelalter auch als Sünde angesehen wurde. So ist schön zu erkennen, dass Maria (links) das Himmlische, Göttliche und Reine verkörpert, rechts hingegen Maria Magdalena die Sünde, aber auch sie bekommt einen Heiligenschein, denn sie ist rein im Herzen und kümmerte sich um Christus. Außen wird sie mit einem roten Gewand dargestellt, das Symbol für die Menschlichkeit und das Irdische.